Im Nordwesten der pakistanischen Metropole Lahore ragt eine monumentale Festung in die Höhe: Shahi Qila, auch „Königliches Fort“ genannt. Zusammen mit den Shalimar Gärten zählt das Fort Lahore seit 1981 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Der Grundstein für diese militärstrategisch verbesserte Verteidigungsanlage, gelegen zwischen Kabul, Kashmir und Multan, wurde zwischen 1556 und 1605 durch den mogulischen Kaiser Akbar der Große gelegt.
Neben den Mogulen zählen die Sikhs und die Briten zu den bedeutendsten Machthabern, die das Fort teilweise zerstört oder beschädigt und wieder restauriert oder umgebaut haben. Die insgesamt 20 Hektar große Anlage umgibt eine gewaltige Mauer mit 13 dementsprechend monumentalen Toren. Dahinter erschließt sich ein idyllischer Innenhof mit Rasenflächen, Treppenanlagen und schmuckvoll verzierten Pavillons.
An den folgenden Beispielen spezialisierter Dekorationstechniken in der Innenausstattung der Palastanlage Fort Lahore lassen sich Parallelen zu der traditionellen Pakistani Truck-Art ziehen.
Glasmosaiken im Sheesh Mahal, dem „Palast der Spiegel“
Zu den eindrucksvollsten Pavillons der Innenhofanlage zählt Sheesh Mahal, der „Palast der Spiegel“. Sein Erbauer, Shah Jahan, hat auch das Taj Mahal erbaut. Der „Palast der Spiegel“ ist prunkvoll und farbenprächtig mit Mosaiken und Spiegeln ausgestattet. Nach einem Plünderungsfeldzug der Sikhs im 19. Jahrhundert gelangte ein Großteil der gläsernen Ausstattung ins indische Amritsar, wo ein Teil der einstigen Beute noch heute den Harmandir Sahib, den Goldenen Tempel der Sikh, schmückt. Malereien zeigen prachtvoll inszenierte Szenen von der Jagd, kämpfende Tiere, Darstellungen von Pferden oder Elefanten sowie dämonische oder engelsgleiche Wesen. Wesentliche Gestaltungselemente bilden dabei, wie bei der Pakistani Truck-Art, geometrische Formen.
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Florale Ornamentik im Fort Lahore
Immer wieder im Fort Lahore zu finden sind auch Blumen, Blätter und Ranken. Mal dezent ins Mauerwerk integriert oder mit schlichter Eleganz, verleihen sie bemalten großen Flächen oder Säulen Schwung. Bis in die letzten Ecken und Nischen durchdringen mit akribischer Liebe zum Detail auch mit kleinteiliger floraler Formenvielfalt geometrische Grundmuster die einst königliche Festung Shahia Qila.
Von außen scheint der kostbare Naulakha Pavilion komplett aus hellem Marmor gefertigt. Die Deckenansicht gibt Einblick in die florale Innendekoration.
Ein weiterer Blick ins Innere des größeren Palastkomplexes von Fort Lahore zeigt eine filigran und präzise dekorierte Wand mit ebenfalls primär floraler Ornamentik. Trotz Spuren der Verwitterung sind der Detailreichtum und die Farbenpracht noch deutlich zu erkennen.
Kommen wir nun zu der Frage, welche Auswirkungen der Kontext des Weltkulturerbes Fort Lahore auf die Pakistani Truck-Art hat.
Parallelen zwischen der Pracht im Palast und der Truck-Art in der Stadt Lahore
Von diesen berühmten Zeugnissen der Kulturgeschichte Pakistans aus lassen sich mehrere Parallelen zu der pakistanischen Tradition der Truck-Art, der Lastwagenmalerei ziehen. Auffällig ist zunächst die Anordnung und Verwendung floraler Ornamente bis ins letzte Detail. Wer es sich leisten kann, lässt in Pakistan Trucks, Busse oder andere Transportmittel, traditionell von ausgebildeten Lastwagenmalern schmücken.
Diese bestehen aber nicht nur aus Bemalung und Lackierung, sondern zu großen Teilen auch aus beklebten Elementen. Diese seit mehr als 60 Jahren praktizierte, typisch pakistanische Volkskunst erinnert an den prunkvollen Anmut der Ausschmückung in der Palastanlage von Lahore. Bereits vor 900 Jahren engagierten Mogulkaiser Wanderkünstler zur Bemalung ihrer Palastwände. Auch die Paschtunen, die sich in der Lastwagenmalerei spezialisiert haben, sind Nomaden. Nur dass es sich bei den Trucks um fahrende Häuser von meist Unternehmern handelt, die ihre Besitztümer mit der Truck-Art aufwerten wollen.
Mosaikcharakter, Farbenvielfalt und die Geometrie der Anordnung sind bei dieser typisch pakistanischen Truck-Art im Vergleich zu den dekorierten Wänden der Räume im Fort Lahore ähnlich. Abweichend ist bei der modernen Interpretation die Verwendung von zum Beispiel Kunststoffmaterialien, Metall, Holz oder Neonfarben und die unterschiedlich stark ausgeprägten Bezüge zur in Pakistan sehr beliebten Popkultur. Hinzu kommen weitere kulturgeschichtliche Kontexte zum Beispiel zu persischen Stilrichtungen und zu Kunstformen der arabischen Kalligrafie.
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Wissenschaftliche Literaturempfehlung
Jamal J. Elias: On Wings of Diesel, 2011.
Angela Glatzel | Kunstwissenschaftlerin | kultur-und-kunstgeschichte.de